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Der Glanz des Goldes für Stecker und Stifte

Der Glanz des Goldes für Stecker und Stifte

Horstmann beschichtet selbst kleinste Bauteile für die Elektronikindustrie / Firmenchef fing als Laborant an 

Wenn Andreas Galle auf die Preisentwicklung der Bunt- und Edelmetalle schaut, müsste ihm eigentlich angst und bange werden. Der Gold- preis ist innerhalb von drei Jahren von 18 auf 46 Euro pro Gramm gestiegen, der Silberpreis von 300 auf mehr als 900 Euro je Kilogramm. Und beide Rohstoffe verbraucht sein Betrieb, die Firma Horst- mann im Daimlerring, in rauen Mengen.

Dabei stellt Horstmann nicht etwa edle Geschmeide für die Schönen und Reichen dieser Welt her. Das vor 65 Jahren gegründete Unternehmen galvanisiert kleine und kleinste Metallteile, die in der Elektro- und Elektronikbranche benötigt werden. Viele seiner Kunden gehören zur Automobilindustrie. Die meisten produzieren in Deutschland und im EU-Ausland, inzwischen ist es dem Firmenchef aber gelungen, selbst aus Asien Aufträge nach Hildesheim zu holen.

Die Bauteile - Schrauben, Klemmen, Steckverbindungen, Stromschienen oder auch Leiterplatten - sind bereits vollständig ausgeformt. Im galvanischen Bad aber bekommen sie mit einem Überzug aus Gold, Silber, Kupfer oder Nickel, manch- mal auch Zinn oder Zink erst die Materialeigenschaften, die die Entwickler von den Komponenten erwarten.
An den Metallpreisen, die der immer hungrigere Weltmarkt bestimmt, kann Galle kaum etwas ändern, zumal er für seinen zertifizierten Betrieb nur Rohstoffe aus anerkannten, seriösen Quellen ein- kauft. Der zweite große Kostenfaktor beim Galvanisieren sind die Energiepreise - die ihm ebenfalls nicht gerade in die Hände spielen. 700 000 bis 800 0000 Kilowattstunden Strom verbraucht das Unternehmen jährlich, um die verschiedenen Tauchbäder auf Betriebstemperatur zu halten. Für Kupfer etwa muss das Elektrolytbad 50 Grad warm sein, damit die Metallionen von der Anode zur Kathode wandern und dort das Werkstück mit einem feinen Film überziehen. Um ein Objekt zu vernickeln, muss das Bad sogar 60 Grad heiß sein.

Um Energiekosten zu senken, verständigte sich Galle vor zwei Jahren mit der EVI auf ein Blockheizkraftwerk, das seither am hinteren Ende einer Halle aus Gas Strom produziert. Die Wärme, die dabei entsteht, nutzt Galle, um seine elektrolytischen Bäder auf Temperatur zu bringen. Bei bestimmten Arbeitsschritten aber muss der Produktionsprozess gekühlt werden, weil durch exothermen Reaktionen Wärme freigesetzt wird. Das ta-ten bislang zwei Kühlanlagen, die inzwischen in die Jahre gekommen waren und dringend ersetzt werden mussten.

EVI und Galle kamen ins Gespräch und vereinbarten eine Kooperation, die es so bislang noch nicht gegeben hat: Die EVI erweiterte das Blockheizkraftwerk um eine Kühlkomponente. In einem geschlossenen Kreislauf entziehen Wärmetau- scher an der einen Stelle Energie, die an anderer Stelle wieder zum Aufheizen genutzt wird. Das spart nicht nur Strom, auch der Ausstoß an klimaschädlichem Kohlendioxid wurde von 14 auf jetzt nur noch 2,7 Tonnen jährlich gesenkt. Die gesamte Anlage ist mit der Leitstelle der EVI am Römerring verbunden und wird von dort aus rund um die Uhr fernüberwacht. Sollte es zu einem Störfall kommen, wären die Reaktionszeiten kurz.

So kann mit der Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung nicht nur die Umwelt geschont werden, auch die Wettbewerbsfähigkeit der Firma Horstmann verbessert sich. Denn zahllose Galvanikbetriebe überall auf der Welt stehen in einem harten Wettbewerb, bei dem es oftmals noch auf die Stelle hinter dem Komma ankommt. Doch Galle will sich nicht über den Preis definieren, sondern über Qualität. Der Firmenchef stammt aus Gittelde, hat, wie so viele im Flecken, bei Fuba gelernt und gearbeitet. Als es mit dem einst 1800 Mitarbeiter zählenden Betrieb immer weiter bergab ging, wechselte er vor 20 Jahren als Chemielaborant zu Horstmann. Dass die Firma einmal seine eigene werden würde, hätte er sich damals wohl kaum träumen lassen. Doch schon sieben Jahre später war er Geschäftsführer.

Gut 20 Mitarbeiter sind hier heute im Drei-Schicht-Betrieb tätig. Alle Abläufe sind eingespielt, die Belegschaft arbeitet Hand in Hand. Galle kennt jeden Hand- griff, taucht auch schon mal nachts oder am Wochenende auf, wenn er gerade eine neue Idee hat oder noch Arbeit liegengeblieben ist. Manche Aufträge umfassen Einzelteile oder wenige Stücke, meistens sind es aber Großserien, die mehrere Millionen Einheiten zählen können.
Sind die zu veredelnden Objekte größer, werden sie einzeln in Halterungen gesteckt, doch viele Teile sind so klein, dass sie in Trommeln galvanisiert wer- den. Dabei darf kein noch so kleines Fleckchen auf der Oberfläche unbehandelt bleiben, sich durch Reibungen an an- deren Stücken wieder blank scheuern oder gar verformt werden. Das winzigste Bauteil, das die Firma Horstmann bearbeitet hat, war ein elektronisches Bauteil, kaum größer als ein Mohnkorn.

Das schwierigste Teil aber dürfte das Modell eines Silberpfeils gewesen sein. Der 20 Zentimeter lange Rennwagen, ein Geschenk des Rennstalls an Formel-1- Funktionär Bernie Ecclestone, war bereits komplett montiert und sollte nun vollständig versilbert werden. Anschließend sollten sich aber alle mechanischen Teile noch bewegen lassen. Den Auftrag übernahm der Chef selbst: Er drehte im Tauchbad die Räder so lange, bis die Galvanisierung abgeschlossen war. "Wir hatten nur einen Versuch", sagt Galle noch immer sichtlich angespannt.

Wer hingegen meint, dass sich in der Firma Gold- und Silberbarren stapeln, wird enttäuscht. Die Rohstoffe sind für das Auge unsichtbar an chemische Sub- stanzen gebunden. Nur Oberflächenbeschichter können aus dem Pulver den Glanz des Goldes wieder hervorzaubern.


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